Prägnant kommunizieren. In der Kürze liegt die Würze!
Prägnanz ist wesentlich für kraftvolle Kommunikation. Leider ist sie aber mehr als selten anzutreffen. Die Welt ist voller Kommunikatoren, die dadurch zu demonstrieren scheinen wollen, wie wichtig Prägnanz ist, dass sie sie schier vollständig vermissen lassen. Statt mit präzisen Pointierungen glänzen sie mit dröger Detailverliebtheit, wild wuchernder Weitschweifigkeit, verblüffender Vagheit, penetranter Redundanz oder politischer Überkorrektheit. Die Hauptursachen, die für gewöhnlich hinter mangelnder Prägnanz stecken, sind die folgenden:
- die Sorge, sich durch eine Positionierung zu früh oder ungünstig festzulegen;
- die Sorge, nicht zu wissen, was man eigentlich will, was man darf oder kann oder wer man eigentlich ist;
- die Sorge, irgendetwas ‚Wichtiges‘ zu dem Thema in der eigenen Rede zu vergessen;
- die Sorge, dass wichtige eigene Botschaften beim Gegenüber noch nicht ‚richtig‘ angekommen sind;
- die Sorge, sich zum Beispiel in Gender-, Religions- oder Kulturfragen politisch unkorrekt auszudrücken;
- eine mangelnde Vorbereitung, eine mangelnde Expertise, eine mangelnde Ausdrucks- oder Argumentationsfähigkeit.
Was aber ist Prägnanz eigentlich? Das Wort „prägnant“ leitet sich vom lateinischen Adjektiv „praegnans“ ab, das „schwanger“ und im übertragenen Sinn auch „strotzend vor Inhalt“ bedeutet. Als prägnant lässt sich eine Aussage bezeichnen, die zugleich inhaltlich reich und klar, kurz und pointiert formuliert ist.
In der Pointierung liegt dabei immer auch eine Zuspitzung oder Überspitzung. Das bedeutet: Prägnanz geht zulasten einer möglichst umfassenden Darstellung wie auch einer möglichst genauen Differenzierung. Dafür bietet sie aber den Vorteil, Aufmerksamkeit, Energie und die Lust an Reibung und Diskussion zu wecken. Dies geht nicht ohne eine gute Portion Mut: Den Mut zur Unvollständigkeit, den Mut zur Reibung und den Mut, zu sich und seinen Ansichten zu stehen.
Als Coach erlebe ich viel häufiger fehlenden Mut als Engpass für Prägnanz als schlechte Rhetorik. Prägnanz entsteht nicht einfach aus irgendwelchen kommunikativen Tricks heraus, so wie kommunikative Gestaltungskraft dies auch generell nicht tut. Es braucht dafür persönliche Stärke, insbesondere Selbstvertrauen und die Fähigkeit, situativ Vorhandenes – eigene Gedanken, Ideen und Möglichkeiten – sinnvoll zu nutzen. Ich nenne diese Fähigkeit Drive. Ein gesundes Selbstvertrauen und Drive bilden die Goldminen zur Entfaltung Ihrer Kraft und Prägnanz.
Wer zu wenig Prägnanz in seiner Kommunikation an den Tag legt, sollte daher primär nicht an seiner Rhetorik, sondern an seinem Selbstvertrauen und seinem Drive arbeiten. Die gute Rhetorik stellt sich dann fast wie von selbst ein, wobei man natürlich auch methodisch für sie einiges tun kann und sollte.
Übungen zur Stärkung von Prägnanz
Ich möchte Ihnen hier drei kleine Übungen vorschlagen, die vor allem dann für Sie nützlich sein können, wenn Sie eher zu denjenigen gehören, die tendenziell etwas zu ausführlich, zu spröde, zu differenziert, zu umständlich, mit einem Wort nicht prägnant genug, kommunizieren.
1. Früher mal den Punkt machen
Achten Sie in unterschiedlichen Gesprächssituationen darauf, dass Sie deutlich früher, als Sie es normalerweise tun würden, Ihren Redebeitrag erst einmal beenden und dann schauen, was jetzt von Ihrem Gegenüber kommt und wie Sie die Dinge im Gespräch gemeinsam weiterentwickeln. Vermutlich wird sich das für Sie zunächst etwas merkwürdig anfühlen. Nach einiger Zeit werden Sie aber merken, dass es die Gespräche lebendiger macht – auch für Sie (!) – und dass Sie alles Ihnen Wichtige auch so zum Ausdruck bringen können.
2. Schreiben wie die Bild-Zeitung
Nehmen Sie sich mal eines der Themen, für das Sie eine besonders ausgeprägte Fachexpertise haben, in der Weise vor, dass Sie das Wichtigste zu diesem Thema in möglichst klaren, kurzen, für jeden verständlichen und anschaulichen Worten notieren – so als würden Sie einen Artikel für die Bild- Zeitung verfassen. Spannend darf es auch noch sein!
3. Leitsätze entwickeln
Vergegenwärtigen Sie sich ein Themenfeld, für das Sie eine möglichst klare Orientierung wichtig finden, zum Beispiel: Wie möchten Sie mit Ihren Kindern umgehen, falls Sie welche haben? Wie wollen Sie Ihren Mitarbeitern begegnen, falls Sie Führungskraft sind? Worauf wollen Sie im laufenden Projekt besonders achten, falls es das gerade für Sie gibt? Wie möchten Sie sich beruflich oder privat fokussieren? Entwickeln Sie zu der jeweiligen Frage prägnante Leitsätze, welche die Dinge für Sie kurz und knackig auf den Punkt bringen.
Solche und ähnliche Übungen helfen Ihnen, Ihre Prägnanz weiterzuentwickeln. Natürlich braucht kommunikative Kraft mehr als nur Prägnanz: Persönlichkeit gehört dazu, wie wir gesehen haben, ebenso die Fähigkeit, ziel- und empfängerorientiert zu kommunizieren, lebendige Interaktionen zu gestalten und selbstverständlich auch Substanz in dem, was Sie sagen und eine gute Varianz, wie Sie das tun. Ich habe diese Faktoren im Triple P Modell kommunikativer Gestaltungskraft näher beschrieben. Triple P steht für persönlich – präsent – prägnant. Auch wenn Prägnanz für professionelle Kommunikation also nicht alles ist, ohne sie wird unsere Kommunikation kaum je eindrücklich sein. Steigern Sie Ihre Prägnanz und Sie werden Ihrer kommunikativen Kraft insgesamt neuen Schub verleihen!
Mehr dazu erfahren Sie auch im Video „In der Kürze liegt die Würze – Prägnant kommunizieren“.
Der Autor
Dr. Stefan Hölscher ist als Managementberater, Trainer und Coach tätig. Darüber hinaus arbeitet er als Lyriker und Sprecher.