Die CSRD-Umsetzung lässt auf sich warten – was nun?

Von Dr. Josef Baumüller, WU Wien

 

Die zunächst als gesichert angenommene Übernahme der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in das deutsche Bilanzrecht ist nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition in nicht absehbare Ferne gerückt. Das hat unerwartete und unerwünschte Konsequenzen für jene Unternehmen, die gem. CSRD bereits zu einer Berichterstattung für das Geschäftsjahr 2024 verpflichtet sind.

Gesetzgebungsverfahren in Deutschland

Als Richtlinie erfordert die Wirksamkeit der Bestimmungen der CSRD ihre Umsetzung in das Recht der EU-Mitgliedstaaten. Als Frist hierfür gab die CSRD den 6.7.2024 vor (d. h. 18 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie). Der Status dieser Umsetzung wird seit geraumer Zeit von Beratern erfasst und kommentiert – v. a. im Hinblick auf das Problem, dass viele Mitgliedstaaten (nicht zuletzt Österreich) sehr früh schon in Verzug gekommen sind. In Deutschland wähnte man sich demgegenüber lange auf der sicheren Seite; der Referentenentwurf zu einem CSRD-Umsetzungsgesetz aus dem März 2024 schien eine mustergültige Umsetzung zu erlauben. Die anschließenden politischen Debatten verschoben diese Umsetzung aber zunächst in den Herbst (was bereits mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens seitens der EU-Kommission quittiert wurde) – und nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition wurde selbst die Umsetzung zumindest bis Jahresende 2024 infrage gestellt. Dies umso mehr, als neben der FDP zuletzt auch die CDU/CSU öffentlichkeitswirksam Position gegen die Vorgaben der CSRD bezog.

 

Leidtragende: Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD 

Die Leidtragenden dieser zuletzt als unübersichtlich zu beschreibenden Entwicklung sind allerdings die Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD. Im Vertrauen auf eine richtlinienkonforme Rechtsumsetzung haben sie mit ihren Implementierungsprojekten bereits begonnen. Sie sehen sich nunmehr mit komplexen Rechtsfragen konfrontiert – die sie zumeist mit teuren externen Berater-Expertisen adressieren müssen. Besonders problematisch ist dies für jene Unternehmen, die bereits für das Geschäftsjahr 2024 Nachhaltigkeitsberichte gem. CSRD veröffentlichen würden; d. h. vereinfacht gesagt für jene Unternehmen, die schon in der Vergangenheit der Pflicht zur Erstellung einer nichtfinanziellen Berichterstattung unterlagen. Für die weiteren Anwendergruppen, d. h. für jene Unternehmen, die erstmals im Geschäftsjahr 2025 oder später berichtspflichtig werden, werden zumeist keine Implikationen gesehen – da spätestens nach der Wahl im Frühjahr 2025 mit einer deutschen Umsetzung der CSRD gerechnet wird.

Diese erstgenannte Anwendergruppe sieht sich mit einer beständigen Ungewissheit konfrontiert: Eine Verabschiedung des CSRD-Umsetzungsgesetzes noch vor Jahresende 2024 ist noch immer nicht ausgeschlossen, obschon nicht wahrscheinlich. Es ist jedoch bis Anfang 2025 möglich, dass eine rückwirkende Pflicht für das Geschäftsjahr 2024 auferlegt wird – indem legistisch auf das Datum der Aufstellung der Berichterstattung abgestellt wird (das i. d. R. stets nach dem Ende eines Berichtsjahres liegen wird). Diese berichtspflichtigen Unternehmen können damit nicht in ihren Implementierungsprojekten innehalten und auf Klarstellung warten – zu groß ist die Gefahr, von einer plötzlichen Dynamik aufseiten des Gesetzgebers schlicht überrumpelt zu werden.

 

Warten auf die CSRD – was tun? 

Zunächst vorab: Die mögliche direkte Wirksamkeit der CSRD ist im Schrifttum bereits thematisiert worden. Eine solche ist in Ausnahmefällen denkbar und würde damit an die Stelle einer nationalen Rechtsumsetzung treten. Die bisher publizierten Stellungnahmen sehen die Voraussetzung für eine solche Wirksamkeit aber nicht gegeben. Somit gilt bis auf Weiteres die bisherige Rechtslage – in Deutschland gem. CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) – unverändert weiter.

Nach bisheriger Rechtslage konnten bereits Standards und Rahmenwerke für die Erstellung nichtfinanzieller Berichte herangezogen werden. Dies eröffnet auch die Möglichkeit, fortan die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) nach der fortbestehenden bisherigen Rechtslage zum Einsatz zu bringen, so wie sie von der CSRD als verpflichtende Grundlage für die inhaltliche Ausgestaltung der Berichterstattung vorgesehen werden. Detailprobleme der Kompatibilität dieser „Brücke zwischen alter und neuer Rechtslage“ sind freilich noch nicht gelöst und werden u. a. von einer Arbeitsgruppe des DRSC vertiefend erörtert.

Eine weitere Vorgabe der CSRD, die sich auch ohne nationale Umsetzung als unproblematisch erweist, betrifft die Form der Veröffentlichung. Nachhaltigkeitsberichte sind zukünftig als Teil des Lageberichts offenzulegen. Nach dem CSR-RUG entspricht diese Form der Offenlegung jener einer „nichtfinanziellen Erklärung“, die entsprechend zu wählen wäre. Die Aufstellung des Nachhaltigkeitsberichts im digitalen Format ist demgegenüber insofern noch entbehrlich, als die hierfür erforderlichen technischen Grundlagen auf EU-Ebene noch nicht vorliegen und damit diese Pflicht de facto suspendiert ist.

Ebenso haben Unternehmen Sorge dafür zu tragen, dass eine externe Prüfung nach den Maßstäben der CSRD durchgeführt wird. Hier zeigt sich das vielleicht größte Problem für eine vorgezogene Anwendung der CSRD im Rechtsrahmen des CSR-RUG: In Letzterem sind externe Prüfungen nur freiwillig zu beauftragen; werden sie durch den Abschlussprüfer erbracht, so gelten sie formal als Nicht-(Abschluss-)Prüfungsleistung und fallen unter die sog. „Fee Cap“, eine Höchstgrenze für das Ausmaß solcher Leistungen. Dies würde de facto den Handlungsspielraum für eine solche Beauftragung massiv beeinträchtigen. Seitens des IDW wurde zwar in einer Stellungnahme die Sichtweise vertreten, dass die Anwendung der „Fee Cap“ unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht sachgerecht wäre. Überzeugende Argumente hierfür stehen aber aus.

 

Fazit

Der gegenwärtige Stillstand in den Arbeiten an der Umsetzung der CSRD in deutsches Recht wird seitens einzelner Parteien mit dem Argument gerechtfertigt, dass deutsche Unternehmen vor einer überbordenden Brüsseler Regulatorik geschützt werden sollen. De facto zeigt sich aber, dass den Erstanwendern 2024 mit solchem politischen Geplänkel ein Bärendienst erwiesen wird, während für spätere Anwender der CSRD-Bestimmungen aus jetziger Sicht kein Nutzen zu erkennen ist.

Die gegenwärtig unmittelbar von dieser Verzögerung betroffenen Unternehmen befassen sich folglich mit den Möglichkeiten, die Vorgaben der neuen europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung im fortwährenden bisherigen Rechtsrahmen umzusetzen. Immerhin sind die Projekte zur CSRD-Implementierung schon weit fortgeschritten – eine Rückkehr zur „Welt des CSR-RUG“ ist entweder nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll oder gar nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass in vielen anderen Mitgliedstaaten die CSRD-Implementierung bereits vorangeschritten ist, hier also Erwartungshaltungen seitens Kunden oder Kapitalgebern auch an deutsche Unternehmen herangetragen werden. Letztlich ist es gerade im Finanzsektor für Tochterunternehmen deutscher Konzerne mit Sitz im Ausland wichtig, dass ein konsolidierter Nachhaltigkeitsbericht vom Mutterunternehmen in CSRD-Konformität veröffentlicht wird, um nämlich diese (mitunter größere Zahl an) Tochterunternehmen zu befreien.

Abschließend ist daher festzuhalten: Es besteht kein Zweifel daran, dass die CSRD in Deutschland wie in anderen Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Mitunter wird sich der EU-rechtliche Rahmen v. a. für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen (Anwendergruppe: ab Geschäftsjahr 2025) zwar noch etwas ändern; ein Paradigmenwechsel ist allerdings nicht zu erwarten, denn zu weit fortgeschritten sind die Arbeiten in der EU bereits, zu tief ist die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung in den weiteren Rahmen von Sustainable Finance und Green Deal eingewoben, an dem weiterhin festgehalten wird und der nichts weniger als die Transformation der gesamten europäischen Wirtschaftsordnung bezweckt. Bei einer Entwicklung von solcher Tragweite können es sich deutsche Unternehmen schlichtweg nicht leisten, zurückzubleiben. Es ist bedauerlich, dass es der eigene Gesetzgeber hier schwermacht, die richtigen Schlussfolgerungen auch in Handlungen umzusetzen.

 

Das Buch

erläutert nicht nur potenzielle Schwierigkeiten für Unternehmen, sondern bietet daneben entsprechende Lösungsvorschläge an, die durch zahlreiche Praxisbeispiele und Schaubilder untermauert werden. Verlinkungen und QR-Codes führen die Lesenden online wie offline zu den herangezogenen Unternehmensberichten.

 

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Der Autor

Dr. Josef Baumüller

Mitarbeiter an der WU Wien, außerdem Lehrbeauftragter an der Universität Wien und an weiteren österreichischen Hochschulen. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Fragen der finanziellen und nichtfinanziellen Berichterstattung von Unternehmen und NPOs.

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