Lifehacks für Jurastudium und Examen - Handy ins Schließfach
Die Tatsache, dass die Realitäten des juristischen Studiums ebenso wie die anschließende Berufstätigkeit am Ende wenig mit amerikanischen Filmen und Anwaltsserien zu tun haben, dürfte die wenigsten Leserinnen und Leser dieses Buches überraschen. Ebenso wenig gab es (leider) in meinem Studienverlauf den einen ultimativen Lifehack oder die eine geniale Lerntechnik, mit der auch die langweiligsten Gebiete des Verwaltungsrechts zu bewältigen waren.
Dennoch würde ich meine Entscheidung für dieses Studium ohne eine Sekunde zu zögern immer wieder treffen. Denn trotz aller Hürden des Studiums, die es zu meistern gilt, begeistern mich das Recht und die Rechtswissenschaften bis heute. Die erste Schwierigkeit zu Beginn des Studiums und auch später in der Examensvorbereitung lag für mich darin, oftmals völlig ohne Feedback auf sich gestellt zu sein.
Lernte man effektiv? Lernte man das Richtige? Und waren nicht alle anderen sowieso viel besser vorbereitet? Diese Verunsicherung wurde in einigen Vorlesungen verstärkt, da im ersten Semester leicht der Eindruck entstehen konnte, dass einige – besonders jene Studierende aus Juristenfamilien – schon auf jede Frage des Professors eine Antwort geben konnten.
Mit der Zeit lernte ich jedoch, dass jene Kommilitoninnen und Kommilitonen, die behaupteten, den gesamten Stoff erfasst und verstanden zu haben, selten diejenigen waren, die auch besonders herausragende Ergebnisse in den Klausuren vorweisen konnten.
Nachdem diese Erkenntnis zwar über die Semester bei mir angekommen war, begann jedoch mit der Examensvorbereitung eine neue Phase der Verunsicherung. Maßgeblich ausgelöst wurde dies durch die Tatsache, dass es Studierende gab, die scheinbar zu jeder Tages- und Nachtzeit in der Bibliothek anzutreffen waren.
Da ich mir ein gutes Ergebnis im Examen vorgenommen hatte, war ich felsenfest davon überzeugt, dieses Ziel niemals zu erreichen, wenn ich nicht auch mindestens so viele Stunden im juristischen Seminar verbrachte. Das stimmt natürlich nicht, Sitzfleisch in der Bibliothek zählt schlicht nicht. Niemand kann sich über zehn Stunden am Tag effektiv konzentrieren.
Tipp 1: Höre niemals auf Leute, die behaupten, alles zu können.
Niemand kann alles im Jurastudium. Und allein die Anzahl der Stunden, die jemand in der Bibliothek verbracht hat, hat überhaupt keine Aussagekraft bezüglich der Befähigung zum Studium. Auch wenn man sich nicht von anderen Studierenden verunsichern lässt, so bleibt die elendige Frage der Motivation bei einem derart langen Studium nicht aus.
Den überwiegenden Teil der Studieninhalte fand ich tatsächlich faszinierend. Doch besonders im Verwaltungsrecht habe ich es bis zum Examen nicht geschafft, mir einzureden, dass ich irgendeine Form der Begeisterung dafür aufbringen kann, welche Klageart nun für das Vorgehen gegen eine Nebenbestimmung einschlägig ist.
Für mich galt es daher, einen Antrieb zum Lernen für die Verwaltungsrechtsklausuren zu finden. Dieser fand sich überraschenderweise bei meiner Tätigkeit für die Refugee Law Clinic Cologne e. V. Bereits im ersten Semester hatte ich die Vorlesung zum Asyl- und Aufenthaltsrecht besucht und begonnen, Mandate zu übernehmen. Dass es sich bei alldem im Kern um Verwaltungsrecht handelte, wurde mir erst deutlich später bewusst. Doch ab diesem Zeitpunkt spielte ich sämtliche Konzepte des allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozessrechts an Mandatsfällen aus der Refugee Law Clinic durch.
Für meine Mandanten wollte ich das Bestmögliche leisten, wofür eben auch solide Kenntnisse im Verwaltungsrecht nötig sind. Auch wenn das Verwaltungsrecht dadurch nicht zu meinem liebsten Rechtsgebiet wurde, schaffte ich es, dass sich die Beschäftigung damit nicht mehr wie pure Quälerei anfühlte. Zudem wurden meine Noten in verwaltungsrechtlichen Klausuren stetig besser.
Tipp 2: Überlege Dir ein Ziel, einen Grund, einen Gedanken, der Dich antreibt.
Eine positive Motivation wird immer mehr helfen, als sich auf Panik vor dem Durchfallen als Antrieb zu fokussieren.
Ein weiterer Ansatz, um mich zum Lernen zu motivieren, war das Erstellen ausführlicher To-do-Listen und Lernpläne. Mir hat es immer unheimlich gut getan, mir durch das Abhaken von Aufgabenpunkten das eigene Vorankommen vor Augen zu führen. Denn ansonsten fühlte es sich bei der unglaublichen Menge an Stoff für das Staatsexamen leicht so an, als würde man auf der Stelle treten.
Sehr wichtig ist aber, neben einer realistischen Einschätzung des eigenen Lerntempos bei der Erstellung von Lernplänen, dass To-do-Listen möglichst kleinteilig sind. Wer sich Europarecht als Aufgabenpunkt aufschreibt, wird nicht von dem motivierenden Effekt des Abarbeitens seiner To-do-Liste profitieren. Stattdessen sollten konkrete Abschnitte im Skript, ggf. ein oder zwei Urteile und ein ausgewählter Übungsfall, auf dem Plan stehen.
Tipp 3: Die unglaubliche Masse an Stoff macht es schwer, die Übersicht zu behalten und nicht direkt aufzugeben.
Suche Dir ein Lehrbuch oder Skript, dessen Erklärungen Dir liegen. Und nutze diese Unterteilung, um kleinteilige To-do-Listen mit einem realistischen Zeitplan zu erstellen.
Mit der beste Trick meiner Examensvorbereitung war, auch wenn es sich dabei mitnichten um einen Geheimtipp handelt, denn wir bekamen das mehrfach von Professoren empfohlen, mein Handy nicht mit in die Bibliothek zu nehmen.
Da es mir zugegebenermaßen sehr schwer fiel, mein Handy den ganzen Tag zu Hause zu lassen, schloss ich es morgens ins Schließfach ein, damit ich es wenigstens in der Mittagspause nutzen konnte. Auch wenn ich nie das Gefühl gehabt hatte, übermäßig viel am Handy zu hängen, spürte ich deutlich, wie viel effektiver ich von da an lernte.
Tipp 4: Lass Dein Handy zu Hause oder im Schließfach.
Oder lege es bei einer Kommilitonin oder einem Kommilitonen ein paar Plätze weiter hin. Außer, Du hast die übermenschliche Disziplin, die mir immer gefehlt hat, den ganzen Vormittag tatsächlich nicht draufzuschauen. Schlussendlich braucht man neben der passenden Motivation im Jurastudium auch eine gute Lerntechnik.
Denn spätestens mit der Examensvorbereitung versagt – zumindest bei den allermeisten Studierenden – die Taktik, sich den Stoff kurz vor der Klausur ins Kurzzeitgedächtnis zu prügeln.
Die passende Lerntechnik ist sehr individuell, so dass ich zu diesem Punkt meine Erfahrung nicht unbedingt verallgemeinern möchte. Meine eigene Taktik war das Schreiben einer Unmenge an Karteikarten; bis zum Examen hatte ich zwölf Boxen davon produziert. Dabei habe ich diese Karten immer als zweite Wiederholung einer bestimmten Thematik betrachtet.
Wenn also im Januar die Raubdelikte im Repetitorium behandelt wurden, habe ich meine Karteikarten zu diesem Thema erst zwei Monate später geschrieben. Mir blieben schon immer Informationen langfristig im Gedächtnis, wenn ich diese niedergeschrieben hatte.
Besonders effektiv war es, wenn ich mir die Zeit nahm, eine eigene Formulierung aufzuschreiben und nicht wortgleich den Text aus dem Skript kopierte.
Tipp 5: Definitionen müssen nun mal sein.
Kann man blöd finden. Aber Karteikarten helfen, auch wenn man sie nach dem Schreiben nie wieder anschaut.
Buchauszug aus Spehl, Lifehacks für Jurastudium und Examen, S. 73-77
Die Autorin
Gwen Sophie Deibel (Doktorandin an der Universität zu Köln, Juristische Mitarbeiterin bei Baker & McKenzie Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB; Erstes Juristisches Staatsexamen 2019)