Erfahrungen aus dem Jurastudium: Hört auf, nur Negatives zu berichten
Überall liest man Horrorgeschichten über das Jurastudium. Was davon stimmt wirklich? beck- shop.de hat mit Florian Specht und Alexander Bleckat gesprochen. Die Juristen haben das Buch „Jura geht auch anders! Ein Leitfaden für ein erfolgreiches und gelassenes Jurastudium“ geschrieben und räumen im Interview mit Klischees auf – und haben wichtige Empfehlungen für Nachwuchsjuristen.
beck-shop.de: Ohne Prädikatsexamen geht nichts, dieser Gedanke kursiert nach wie vor in vielen Köpfen. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Florian Specht: Ja, das wird im Jurastudium heute noch von vielen Seiten so gelebt und vorgelebt. Von diesem überhöhten Notendenken rührt dann auch ein Großteil des Examensstresses her. Dabei erreichen kontinuierlich etwa 85 % der Teilnehmer der ersten juristischen Staatsprüfung diese Note nicht. Für diese Absolventen wären das düstere Aussichten.
beck-shop.de: Aber Sie persönlich sehen es nicht so düster?
Florian Specht: Natürlich sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. Tatsächlich ist die Arbeitslosenquote unter Juristen doch eher gering, die Absolventenzahlen sind rückläufig. Der Studienabschluss, auch ohne “vollbefriedigend”, eröffnet vielfältige Möglichkeiten und qualifiziert für hochspannende Arbeitsbereiche. Und aktuelle Umfragen zeigen: Der “Next-Generation” ist ein spannender und abwechslungsreicher Job, mit dem man sich voll identifizieren und bei dem man sich gebraucht fühlt, viel wichtiger, als ein hohes Einstiegsgehalt.
Alexander Bleckat: Ich denke auch, dass jemandem mit Prädikatsexamen viele Türen offenstehen. Das kann man einfach nicht in Abrede stellen. Dennoch wird man mit einer Spezialisierung und viel Engagement ebenfalls erfolgreich sein können. Gerade durch die aktuelle Wandlung im Rechtsmarkt durch Legal Tech, der Digitalisierung des Rechts, wird neben juristischen Kenntnissen auch ein abstrakt technisches Verständnis fortschreitend wichtiger. Des Weiteren sinkt in der heutigen Zeit auch die Einstiegsnote für den Justizdienst immer weiter, so dass ein Umdenken bezüglich der Examensnote auf jeden Fall angebracht ist.
beck-shop.de: Was raten Sie Jurastudentinnen- und studenten, um mit dem dennoch vorhandenen Druck besser umzugehen?
Florian Specht: Ich halte es für schlauer, sich von der Benotung im Studium, so gut es eben geht, frei zu machen. Wer mit Spaß bei der Sache ist, bei dem kommt der Erfolg von allein. Mit dem Rest muss man sich halt arrangieren. Wer sich früh einbringt und interessiert, dem wird auch das gelingen. Es ergeben sich immer wieder tolle Möglichkeiten. Den großen Stress hat man dann bei der Jobauswahl.
beck-shop.de: Was war die ursprüngliche Idee hinter Ihrem neuen Buch „Jura geht auch anders“ (C.H.BECK)?
Florian Specht: Wer sich über das Jurastudium informiert, der wird überwiegend mit negativer Berichterstattung konfrontiert: Jura ist langweilig, die Noten sind beliebig, Jurastudierende lernen alles nur auswendig, verstecken Lehrbücher vor ihren Kommilitonen und haben spätestens in der Examensvorbereitung kein Leben mehr.
beck-shop.de: Sie hatten andere Erfahrungen?
Florian Specht: Mir hat das Jurastudium eigentlich sehr viel Spaß gemacht. Den wollte ich gerne weitergeben, weshalb Alex und ich damals auch ein Erstsemestertutorium übernommen haben. In der doch kurzen Zeit mit den Erstis wollten wir so viele wie möglich aus der Gruppe vom Studium begeistern und den Spaß am Studieren in den Vordergrund stellen. Mit einem Buch kann man natürlich viel genauer auf die einzelnen Abschnitte des Studiums eingehen und erreicht auch ein bundesweites Publikum.
beck-shop.de: Was erwartet die Leser Ihres Buchs?
Florian Specht: Der Leser bekommt einen Ratgeber durchs gesamte Studium an die Hand, einschließlich der schriftlichen und mündlichen Examensprüfung. Mit dem Buch soll den Studierenden bei der Planung des Jurastudiums und dessen Bewältigung geholfen werden. Dabei möchten wir unsere Erfahrungen als Erstsemestertutoren und Klausurkorrektoren weitergeben und bieten verschiedene Tipps, etwa worauf beim Klausurenschreiben zu achten ist oder wie man mit der Stofffülle des Studiums und der Examensangst umgehen kann. Mich freut, dass Studierende nun auch "schwarz-auf-weiß" lesen können, dass es nicht unbedingt ein "Vollbefriedigend" braucht, um später erfolgreich im Rechtsmarkt durchzustarten. Das kann unnötigen Druck von den Studierenden nehmen.
Alexander Bleckat: Abgerundet haben wir unser Buch dann mit Interviews mit Branchengrößen wie z.B. Marco Klock (CEO und Co-Founder von rightmart und edicted), Dr. Jan Jacob (Rechtsanwalt und Repetitor) sowie Prof. Dr. Thomas Fischer (Vorsitzender Richter am BGH a.D.)
beck-shop.de: Richtet sich das Buch vermehrt an Studienanfänger oder ist es auch für fortgeschrittene Semester noch interessant?
Florian Specht: Das Buch ist ein Ratgeber für das gesamte Studium. Zu jeder Phase des Studiums haben wir ein eigenes Kapitel geschrieben, an das sich jeweils wertvolle (Literatur)Tipps anschließen. Auch im Hauptstudium oder der Examensphase können wir den Lesern einen Mehrwert bieten. So beschreiben wir im Kapitel des Hauptstudiums z.B., welche Anforderungen eine Klausurlösung aus Sicht des Korrektors erfüllen muss und wie man die Stoffflut des Studiums bewältigen kann. Im Kapitel zur Examensvorbereitung geben wir etwa Tipps zur Examensvorbereitung, insbesondere zum Umgang mit der Examensangst und später zur mündlichen Prüfung. Dabei haben wir auch darauf geachtet, dass das Buch gegenüber den verschiedenen Studienordnungen offen ist, also im gesamten Bundesgebiet Gültigkeit besitzt.
beck-shop.de: Hatten Sie während Ihrer Studienzeit jemals Zweifel daran, ob das Jurastudium die richtige Entscheidung war?
Florian Specht: Nein, ich habe sehr schnell – eigentlich bereits im ersten Semester – gewusst, dass Jura das Richtige für mich ist. Die Logik juristischer Argumentation hat etwas Anziehendes. Das Tüfteln an Rechtsproblemen, etwa die Inhaltskontrolle von AGB, macht mir noch heute einen Riesenspaß. Das war auch wichtig, um einige Tiefen des Studiums durchzustehen, denn angenehm ist das Studium nicht immer. Ich denke, das lässt sich auch verallgemeinern: Wer sich noch in höheren Semestern am Lehrstoff abmüht, ohne dabei grundsätzlich auch Spaß an der Sache zu verspüren, der sollte sich Gedanken machen, ob das Studium und/oder die Art und Weise, wie er damit umgeht, richtig ist.
Alexander Bleckat: Ich habe wirklich nie daran gezweifelt, dass das Jurastudium die richtige Entscheidung war. Ich habe Jura sehr gerne studiert und Spaß daran gehabt mich mit rechtlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Wenn man den gedanklichen Zugang zur Rechtswissenschaft einmal gefunden hat, lernt man das Studienfach erst vollumfänglich kennen. Wenn man diesen Punkt erreicht hat, bin ich mir sicher, dass jegliche Zweifel verschwinden werden. Daher rate ich den Studierenden auch die juristischen Probleme nachzuvollziehen und nicht schlicht auswendig zu lernen.
Jura geht auch anders! - das Buch zum Text
Specht / Bleckat / Jacobs
Ein Leitfaden für ein erfolgreiches und gelassenes Jurastudium mit vielen Tipps und praktischen Hinweisen