Urteilsklausur Zivilrecht: 10 Punkte, die du im zweiten Staatsexamen beachten solltest
Im zweiten Staatsexamen wird im Zivilrecht in der Regel mindestens in einer Klausur die Anfertigung eines Urteils verlangt. Auch wenn du während der Zivilstation bereits zahlreiche Urteilsentwürfe verfasst hast, solltest du die Anforderungen auf keinen Fall unterschätzen.
Zehn Tipps, worauf du beim Schreiben der Urteilsklausur (Zivilrecht) unbedingt achten solltest, hat Ludolf von Saldern nachfolgend zusammengestellt.
Tipps für die Urteilsklausur Zivilrecht
1. Tenoriere im Rahmen des Klageantrages vollstreckbar und vollständig
Beim Tenor zur Hauptsache ist darauf zu achten, dass dieser im Falle eines Leistungsurteils
a) nicht über den Klageantrag hinausgeht, § 308 Abs. 1 ZPO
b) vollstreckbar ist
c) vollständig ist.
Fehler werden hier vor allem bei der Zinsentscheidung gemacht.
zu a) Verlangt die klagende Partei Zinsen „ab Rechtshängigkeit“ und ist die Klage am 3. September bei Gericht eingegangen und am 5. September der beklagten Partei zugestellt worden, so sind Zinsen ab dem 6. September zuzusprechen. Denn Rechtshängigkeit trat am 5. September ein und Zinsbeginn ist gem. § 187 Abs. 1 ZPO analog der Folgetag. Ein früherer Zinstermin im Tenor verstieße gegen § 308 Abs. 1 ZPO.
zu b) Eine Verurteilung zu Zinsen „ab Rechtshängigkeit“ wäre mangels Nennung eines konkreten Datums (teilweise) nicht vollstreckbar.
zu c) Der Tenor muss unbedingt ausformuliert werden, auch wenn man in Zeitnot gerät. Bei einer nur teilweisen Stattgabe der Klage darf die Abweisung im Übrigen nicht vergessen werden, auch wenn es sich nur um einen Teil des Zinsanspruchs handelt.
2. Beachte den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung
Bei der Kostenentscheidung darf nicht gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung verstoßen werden. Es muss grundsätzlich eine Kostenquote für den gesamten Rechtsstreit gebildet werden. So darf es nicht heißen, dass eine Partei die Kosten der Klagerücknahme oder des erledigten Teils tragen muss.
3. Wende §§ 709 S. 2, 711 S. 2 ZPO nur auf zu vollstreckende Geldforderungen an
Im Rahmen der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind die §§ 709 S. 2, 711 S. 2 ZPO nur dann anwendbar, wenn eine Geldforderung zu vollstrecken ist. Auch wenn – etwa bei einer Herausgabeklage – keine Zahlungsklage gegeben ist, ist im Falle der Abweisung der Klage stets eine Geldforderung zu vollstrecken, da die beklagte Partei dann ihre Kosten vollstreckt. Nur dann, wenn diese Kosten 1.500,- EUR übersteigen, ist ein Fall von § 709 ZPO gegeben und das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Hier hilft folgende Faustformel: Übersteigt der Streitwert 7.000,- EUR, so liegen die von der beklagten Partei zu vollstreckenden Anwaltskosten über 1.500,- EUR, bei einem Streitwert bis 7.000,- EUR liegt ein Fall von §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vor (Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung mit Abwendungsbefugnis).
4. Beachte das Korrespondenzprinzip
Im unstreitigen Teil des Tatbestandes sind die für die Entscheidung relevanten unstreitigen Tatsachen vollständig und in der richtigen Zeitform (im Imperfekt) zu schildern. Es gilt das sog. Korrespondenzprinzip, wonach sich die Tatsachen, mit denen in den Entscheidungsgründen argumentiert wird, im Tatbestand wiederfinden müssen.
5. Unterscheide richtig zwischen unstreitigen und streitigen Tatsachen
Wichtig ist, dass im Tatbestand unstreitige Tatsachen nicht als streitig dargestellt werden dürfen, was in Examensklausuren häufig falsch gemacht wird. Häufig werden vorgetragene Tatsachen von der Gegenpartei nicht bestritten, sondern nur anders bewertet. Sie sind dann unstreitig.
6. Unterscheide richtig zwischen Tatsachen und Rechtsfragen
Wesentlich im Tatbestand ist die richtige Unterscheidung von Tatsachenstoff einerseits und Bewertungsfragen andererseits. Rechtsfragen können nicht unstreitig werden, weshalb im Tatbestand niemals stehen darf, dass eine Forderung besteht oder dass eine Partei schuldhaft handelte. Anders verhält es sich bei sog. Rechtstatsachen, bei denen es sich um Tatsachen handelt. So darf im unstreitigen Tatbestand stehen, dass eine Partei Eigentümer ist, dass eine Forderung abgetreten wurde oder dass eine Sache gekauft wurde. Gemeint ist dann stets ein tatsächliches Geschehen. Im streitigen Teil dürfen Rechtsansichten der Parteien nicht als Tatsachenbehauptungen dargestellt werden, ein häufiger Fehler in Examensklausuren. Ob eine Partei etwas hätte tun müssen oder nicht hätte tun dürfen, ist stets Rechtsfrage und darf nicht als streitige (Tatsachen-) Behauptung gebracht werden. Rechtsansichten der Parteien dürfen insgesamt weggelassen werden. Mehr als eine reine Rechtsansicht und daher stets darzustellen sind:
- die von der beklagten Partei (hilfsweise) erklärte Aufrechnung
- die (hilfsweise) Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts
- die Einrede der Verjährung.
7. Beachte den Urteilsstil
In den Entscheidungsgründen kommt es vor allem auf eine normgeleitete Prüfung in dem gebotenen Urteilsstil an. Bei Stattgabe der Klage ist nur eine Anspruchsgrundlage zu prüfen und es ist zu Beginn der Anspruchsprüfung ein Obersatz zu bilden, in dem die Anspruchsgrundlage und die Höhe des zuerkannten Anspruchs genannt werden. Anschließend sind die Voraussetzungen der genannten Anspruchsgrundlage nacheinander zu bejahen und die Einwendungen der beklagten Partei zu verneinen. Nicht gefragt sind allgemeine Ausführungen ohne konkrete Prüfung einzelner Voraussetzungen der Norm. Bei Abweisung der Klage sind dagegen alle in Betracht kommenden Ansprüche zu verneinen, wobei es für jeden geprüften Anspruch ausreicht, eine Voraussetzung zu verneinen oder einen Ausschlussgrund zu bejahen.
8. Beachte die Relationstechnik
Wichtig ist, dass die Argumentation in den Entscheidungsgründen die Relationstechnik beachtet. Es gibt drei verschiedene Fallkonstellationen, in denen das Gericht eine von der darlegungs- und beweispflichtigen Partei behauptete Tatsache nicht annimmt:
- die Tatsache ist nicht hinreichend substantiiert vorgetragen
- es fehlt an einem (zulässigen) Beweisantritt der beweispflichtigen Partei
- der beweispflichtigen Partei ist der Beweis nicht gelungen.
Ein häufiger Fehler in Examensklausuren ist, dass diese Konstellationen vermengt werden. Gerade dann, wenn es an dem notwendigen Beweisantritt fehlt, wird häufig fehlerhaft formuliert, die Partei habe den Beweis nicht geführt. Eine solche Formulierung ist aber nur dann erlaubt, wenn es eine Beweisaufnahme gab und diese das Gericht nicht überzeugt hat. Fehlt es am Beweisantritt, so ist allein darauf abzustellen („Die Beklagte hat für ihre Behauptung keinen Beweis angetreten.“).
9. Wähle den einfacheren Weg
Eine richtige rechtliche Argumentation gilt als ungeschickt, wenn eine einfachere Begründung möglich gewesen wäre. So gilt es als ungeschickt, bei der Zulässigkeit der Klage einen besonderen Gerichtsstand zu bejahen, wenn schon der allgemeine Gerichtsstand gegeben ist. Zwar besteht insoweit kein Vorrang (vgl. § 35 ZPO), jedoch ist der allgemeine Gerichtsstand im Zweifel unproblematisch und erfordert daher einen geringeren Begründungsaufwand. Verlangt die klagende Partei Löschung einer negativen Bewertung auf einem Kundenportal, so mag sich der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Indes sollte der Anspruch vorrangig auf § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog gestützt werden, da dieser lediglich eine Beeinträchtigung des Rechts und nicht dessen Verletzung voraussetzt und da er auch kein Verschulden verlangt.
10. Setze Schwerpunkte richtig
Wichtig ist, dass die Probleme der Arbeit richtig gewichtet werden. Unproblematisches ist wegzulassen, allenfalls kurz auszuführen. Kein Prüfer will im Falle einer „normalen“ Widerklage lesen, dass die Parteien identisch sind, dass es sich um dieselbe Klageart handelt und dass die Widerklage über das Leugnen des Klageanspruchs hinausgeht.
Der Autor
Ludolf von Saldern
Der Autor Richter am Amtsgericht a.D. ist Leiter von Referendar-Arbeitsgemeinschaften und langjähriger Prüfer in beiden Staatsexamen.
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Stand: Dezember 2022