Enthüllerschutz: Hinweisgeberschutzgesetz tritt in Kraft

Von Prof. Dr. Martin Reufels, LL.M.

 

Der Betrug an Krebspatienten durch eine Bottroper Apotheke oder die Missstände in Altenheimen, ans Licht gebracht von einer Berliner Altenpflegerin – dies sind nur zwei der in den letzten Jahren bekannt gewordenen Fälle, in denen Straftaten oder Missstände nur deshalb publik wurden, weil Arbeitnehmer ihr Insiderwissen geteilt haben. Die Konsequenz war bisher meist die Entlassung des Hinweisgebers. Der Nutzen solcher Informationen für die Unternehmen selbst, die womöglich keine Kenntnis von entsprechenden Vorgängen haben, sowie für die Zivilgesellschaft insgesamt ist überragend hoch, sodass es nur auf der Hand liegt, dass der Gesetzgeber Hinweisgeber schützen und fördern will.

 

Europäische Vorgaben

Zu diesem Ergebnis sind die Mitgliedstaaten der EU gekommen und haben im Jahr 2019 eine Richtlinie zum Schutz dieser sog. Whistleblower erlassen. Die Richtlinie fordert die Einrichtung von drei Meldewegen: intern, extern und an die Öffentlichkeit gerichtet. In den Mitgliedstaaten sollte die Richtlinie bis Dezember 2021 umgesetzt werden.

 

Jetzt zieht Deutschland nach

Mit einiger Verspätung ist Deutschland dieser Verpflichtung nun mit der Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes im Bundestag und der Zustimmung des Bundesrates nachgekommen. Zuvor hatte der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss mit einigen Änderungen gegenüber dem vorherigen – im Bundesrat gescheiterten – Entwurf beschlossen. Das Gesetz, das am 2.7.2023 in Kraft tritt, verpflichtet Unternehmen und Behörden ab 50 Beschäftigten zur Einrichtung sog. interner Meldestellen zur Abgabe von Hinweisen sowie bestimmte Bundes- und Landesbehörden zur Einrichtung sog. externer Meldestellen. Als dritten Weg der Mitteilung von Verstößen sieht das Gesetz entsprechend der EU-Richtlinie ferner die Möglichkeit einer sog. Offenlegung vor. Dieser Meldeweg geht nicht über Unternehmen oder Behörden, sondern über die Öffentlichkeit.

 

Wer ist ein „Hinweisgeber“?

Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt zunächst hinweisgebende Personen, also solche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Angesprochen werden hierdurch also insbesondere Arbeitnehmer, die typischerweise einen besonderen Zugang zu und Zugriff auf Daten und Vorgänge des Arbeitgebers haben, die unter Umständen gesetzeswidrig und daher aufdeckungspflichtig sind.

Gemeldet werden können insbesondere Verstöße, die strafbewehrt oder bußgeldbewehrt sind. Diese Verstöße müssen nach den letzten Änderungen durch den Vermittlungsausschuss bei dem (ehemaligen) Beschäftigungsgeber der hinweisgebenden Person oder bei einer Stelle, mit der die hinweisgebende Person aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht, stattfinden. Nur dann kann die hinweisgebende Person eine Meldung oder Offenlegung tätigen. Der Arbeitsbereich der Meldestellen kann auf freiwilliger Basis auch auf Verstöße gegen jegliche Rechtsvorschriften ausgeweitet werden.

 

Vertraulichkeit und Repressalienverbot

Zur Vermeidung der Fortführung der bestrafenden Praxis der Vergangenheit sieht das Gesetz den Schutz der Vertraulichkeit der Identität von hinweisgebenden Personen vor. Eine Pflicht zur Ermöglichung anonymer Meldungen besteht nicht. Allerdings sollen anonyme Meldungen, wenn sie bei einer internen oder externen Meldestelle eingehen, bearbeitet werden. Für den Fall, dass Beschäftigungsgeber die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes nicht einhalten, sind ferner Bußgelder von bis zu 50.000 Euro vorgesehen.

Ergreifen Beschäftigungsgeber gesetzeswidrig Repressalien, steht der betroffenen hinweisgebenden Person ein Schadensersatzanspruch zu. Dabei wurde lediglich die Möglichkeit des Ersatzes von materiellen Schäden der hinweisgebenden Person geregelt. Ein immaterieller Schadensersatzanspruch wurde durch den Vermittlungsausschuss gestrichen.

Im Übrigen wird auch die Vertraulichkeit der Identität von Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung sind, z.B. der Täter selbst, sowie von sonstigen Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind, z.B. Zeugen. Diese weiteren Personen werden durch das Hinweisgeberschutzgesetz jedoch nicht vor Repressalien geschützt.

 

Unmittelbarer Handlungsbedarf

Für Unternehmen mit regelmäßig 50 bis 249 Beschäftigten sieht das Hinweisgeberschutzgesetz eine Frist zur Einrichtung der internen Meldestellen bis zum 17.12.2023 vor. Unternehmen mit regelmäßig mehr als 249 Beschäftigten müssen ihre Meldestellen bereits am 2.7.2023 eingerichtet haben. Insoweit besteht sofortiger Handlungsbedarf.

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Der Autor

Professor Dr. Martin Reufels, LL.M.,

ist seit 1996 als Anwalt im Arbeitsrecht und im internationalen Wirtschaftsrecht tätig. Er ist Partner der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek und lehrt nebenberuflich an der Fresenius Hochschule in Köln und an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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Stand: Mai 2023

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