Cannabis bei der Arbeit
Suchtprobleme betreffen alle Bereiche der Gesellschaft und verursachen dabei erhebliche gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Kosten. Neben Alkohol- und Medikamentenmissbrauch hat auch ein weit verbreiteter Cannabiskonsum eine wesentliche soziale Bedeutung. Schätzungsweise weisen deutschlandweit rund 1,3 Millionen Menschen einen problematischen Konsum von Cannabis und anderen Drogen auf (Epidemiologischer Suchtsurvey 2021).
Cannabis am Arbeitsplatz
Besondere Aufmerksamkeit hat das Thema Cannabis am Arbeitsplatz in diesem Jahr durch das Cannabisgesetz (KCanG) erhalten. Unter bestimmten Bedingungen ist seit April zwar der private Konsum von Cannabis erlaubt. Trotz dieser Teillegalisierung kann das Kiffen während der Arbeitszeit aber noch immer eine Verletzung der arbeitsrechtlichen Pflichten darstellen, was möglicherweise eine Kündigung zur Folge haben kann.
Verhaltensbedingte Kündigung
Kommt es zum Konsum von Cannabis während der Arbeitszeit oder erscheinen Beschäftigte am Arbeitsplatz im berauschten Zustand, ist dadurch oftmals auch die Arbeitsleistung beeinträchtigt. Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen schuldhafter Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten ist die Folge. Kommt es aufgrund von Konzentrationsmängeln oder anderen Ausfallerscheinungen zudem zu Schäden an Dritten oder an Arbeitsmaterial tritt eine Schadensersatzpflicht der betroffenen Person hinzu.
Namentlich in sicherheitsrelevanten Berufen, wie bei Piloten, Berufskraftfahrern oder in der Pflege, rechtfertigt der Konsum von Cannabis sogar eine außerordentliche Kündigung. Dies gilt selbst dann, wenn keine konkreten Beeinträchtigungen vorliegen. Schon der bloße berauschte Zustand reicht aus, um ein hinreichendes Risiko für Leben und Gesundheit Dritter anzunehmen. Ein ausdrückliches Rauschmittelverbot ist bspw. festgehalten für Beschäftigte im Personen-, Schienen- oder Luftverkehr, im Rettungsdienst oder im Wach- und Sicherheitsdienst (§§ 8, 13 BOKraft, § 4a LuftVG oder § 5 DGUV Vorschrift 23). Den betreffenden Beschäftigten ist der Konsum berauschender Mittel nicht nur während der Arbeit, sondern auch in der Zeit vor Arbeitsantritt verboten. Es gilt eine „Null-Toleranz-Grenze“.
Der Joint im Job ist nach § 5 KCanG speziell untersagt in unmittelbarer Gegenwart von Kindern und Jugendlichen. Seine arbeitsrechtliche Bedeutung erlangt dieses Verbot besonders bei Beschäftigten in Kindergärten, Schulen und sonstigen Kinder- und Jugendeinrichtungen (Fortunato, Cannabiskonsum in der Behörde: 5 Fragen, Der Personalrat 6/2024, 16).
Aber auch der Verstoß gegen ein im Betrieb geltendes Rauschmittelverbot kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch die betriebliche Ordnung gestört wird.
Suchtmittelabhängigkeit und personenbedingte Kündigung
Ist der Cannabiskonsum auf eine Suchtmittelabhängigkeit zurückzuführen, wird die rechtliche Bewertung schwieriger. In einem solchen Fall scheitert eine verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig daran, dass dem suchterkrankten Beschäftigten in der Regel kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann.
Zwar ist eine personenbedingte Kündigung immer noch dann möglich, wenn durch den Cannabiskonsum eine Arbeitserbringung dauerhaft nicht mehr möglich ist. Ein typisches Beispiel ist der Führerscheinentzug bei einem Berufskraftfahrer infolge von Freizeitkonsum (vgl. BAG, NZA 2016, 1527). Ist absehbar, dass der Führerschein nicht wiedererlangt wird und keine andere zumutbare Beschäftigung im Betrieb möglich ist, ist eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt.
Ebenso wie Alkoholabhängigkeit ist auch eine Cannabissucht als Krankheit und damit als personenbedingter Kündigungsgrund anerkannt. Die Hürden für eine Arbeitgeberkündigung sind in diesem Fall jedoch wesentlich höher. Allerdings obliegt es dem Beschäftigten den Nachweis der Abhängigkeit (Müller, Cannabis am Arbeitsplatz – Folgen des Cannabisgesetzes für die arbeitsrechtliche Praxis, NZA 2024, 577). Nur wenn eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung auf Dauer scheitert und wenn eine Therapie durch den betroffenen Beschäftigten verweigert wird oder scheitert diese, kommt eine personenbedingte Kündigung infrage.
Arbeitsantritt im Rauschzustand
Ungeachtet etwaiger spezialgesetzlicher Vorgaben untersagen auch die allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften eine Arbeitsaufnahme im berauschten Zustand (§ 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1). Ist eine Fremd- oder Eigengefährdung nicht ausgeschlossen, ist der Arbeitgeber berechtigt und verpflichtet, die betroffene Person nach Hause zu schicken. In diesem Fall liegt auch kein Annahmeverzug des Arbeitgebers vor und es entfällt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung.
Drogentest im Job
Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht verpflichtet, im laufenden Arbeitsverhältnis routinemäßigen Blutuntersuchungen zur Klärung, ob er alkohol- oder drogenabhängig ist, zuzustimmen. Dies ist nur der Fall, wenn solche Untersuchungen gesetzlich oder tariflich vorgesehen sind.
Bestehen allerdings begründete Zweifel an der Tauglichkeit des Arbeitnehmers, den Anforderungen des Arbeitsplatzes dauerhaft gerecht zu werden, ist ggf. ein hinreichender Grund für eine betriebsärztliche Untersuchung gegeben (BAG, NZA 1999, 1209). Die körperliche Untersuchung insbesondere durch eine Blutprobe setzt jedoch die Einwilligung der betroffenen Person voraus. Das Informationsinteresse des Arbeitgebers ist aber in jedem Fall auf die Klärung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers beschränkt. Entscheidend ist allein, ob die arbeitsvertragliche Aufgabenwahrnehmung ohne Eigen- oder Fremdgefährdung möglich ist (Aligbe, Zulässigkeit von Drogentests bei Einstellung und im laufenden Beschäftigungsverhältnis, ARP 2024, 262). Eine Verweigerung der Zustimmung kann jedoch aufgrund der nebenvertraglichen Rücksichtnahme- und Treuepflicht des Beschäftigten eingeschränkt sein, wenn ein auf Tatsachen begründeter Verdacht der Arbeit unter Drogeneinfluss besteht. Dies ist etwa der Fall, wenn Verhaltensauffälligkeiten festgestellt werden können oder Kollegen glaubhaft den Konsum etwa von Cannabis unmittelbar vor Arbeitsaufnahme oder während der Arbeit bekunden.
Der Autor
Professor Dr. Sérgio Fernandes Fortunato,
Professur für Zivil- und Arbeitsrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl